georg klein
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G N A D E
2012
Zweiteilige Klang-Video-Text Installation im öffentlichen Stadtraum sowie einem zentralen Repräsentationsraum
A Gnadenschriftzüge mit Klanginteraktion im öff. Raum
B medialer Gnadenaltar mit 6-kanal
Audio/Video, LED-Schrift, Kniebank mit Lesemonitor, Gnadensonne
Audio-Video-Loop 11:20
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A Installative Intervention mit 4 Gnadenschriftzügen und interaktiven Musikfragmenten aus Mozarts Oper „La Clemenza die Tito“ im Stadtraum Mannheims vor Repräsentanzen kapitalgebender Institutionen:
Commerzbank, Alter Messplatz - Ecke Schimperstr.
Jobcenter/Arbeitsamt, Friedrichsring - Ecke Ifflandstr.
SingalIduna Versicherungen, Bahnhofsplatz - Hauptbahnhof
Deutsche Bank, P7 - Wasserturm

B Medialer Gnadenaltar im Schloss Schwetzingen (Ausstellungssaal)
mit 6 Videomonitoren, 4 Lautsprechern, einer Kniebank mit Lesemonitor, LED-Band mit Leuchtschrift und einer Gnadensonne aus dem Schwetzinger Schlosspark mit:
Musik/Video: 2 audiovisuelle Bearbeitungen ausgewählter Gnadenszenen aus Mozarts Oper „La Clemenza di Tito“ (1791), Inszen. am Mannheimer Nationaltheater
Video: 4 Vor-Ort-Aufnahmen der Gnadenschriften im Stadtraum Mannheims
Texte: „Kapitalismus als Religion“ von Walter Benjamin (1921), 8 Medienberichte zu Selbstmordfällen im globalen Finanzsystem

Die „Gnade“ spielt sowohl in Mozarts Leben wie in seinen Werken eine zentrale Rolle. Am Übergang von der feudalen Gnadengesellschaft zur selbstbestimmten Bürgergesellschaft mit ihren Idealen der Freiheit und Gleichheit, war Mozart einer der ersten Künstler, der den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. Und in seinem Werk macht Mozart „Gnade zum Leitbild seiner Opern“. Fast alle Opern Mozarts enden mit einer Gnadenszene. „Gnade und Autonomie trennen, bekämpfen, durchdringen sich dort: zwei Zeiten, zwei Staatslehren, zwei Ontologien.“ (Ivan Nagel)

Mit dem Projekt GNADE wird der fast altertümlich scheinenden Begriff in ein modernes Umfeld gestellt, taucht auf im öffentlichen Raum vor Banken und anderen Repräsentanzen finanzieller Macht, um ihm eine provokant-zeitdiagnostische Qualität abzugewinnen: Es scheint, als hätten wir eine Gesellschaft, in der der Untertan von der Gunst und Gnade des Herrschenden abhängig ist, hinter uns gelassen. Doch inzwischen hat sich ein Finanzaristokratentum gebildet, das die vergangenen Gnadenstrukturen wiederaufleben lässt. Die Kapitalverwalter gewähren Kredit und Unterstützung – oder auch nicht - und diktieren die Bedingungen. Ob als HartzIV-Bittsteller gegenüber dem Staat oder als Kleinkreditnehmer gegenüber der Bank, ob als insolvenzbedrohtes Großunternehmen oder als bankrotter Staat: plötzlich spielen Gunst und Gnade wieder eine zentrale Rolle. Oder ist es gerade deren Kehrseite – die Gnadenlosigkeit -, die die Welt des Kapitalismus kennzeichnet ?

Damit spielt der zweite Teil der installativen Intervention im barocken Schloss Schwetzingen:
in Form eines medialen Gnadenaltars treffen hier alle Elemente eines vergangenen und gegen-wärtigen Gnadentums aufeinander, zugespitzt mit Gnadenmomenten aus Mozarts Oper „La Clemenza di Tito“ und Berichten zu Opfern einer Finanzwelt ohne Gnade. Verbunden sind sie mit den ausgewählten „Gnadenorten“ in der Stadt Mannheim: auf 4 Videomonitoren sind die goldenen Schriftzüge zu sehen, wie sie aktuell in großen Lettern vor ausgewählten Repräsentanzen finanzieller Macht auf der Strasse stehen.

In zwei weiteren Monitoren werden Gnadenszenen aus der aktuellen Inszenierung des Titus von Mozart in einer audiovisuellen Transformation erlebbar, in der die existentielle Körperlichkeit von Gnade vor dem Hintergrund des Todes betont wird – sowohl im Bild wie auch im Ton, der aus einer extrem tiefen Transposition der Stimmen der Sänger gewonnen wurde und in dessen Klangfläche dieselben Mozartfragmente auftauchen wie bei den Gnadenschriften in der Stadt. Dazu treten 8 Berichte von Selbstmordfällen aus dem globalen Finanzsystem, im Zusammenspiel mit einem Textfragment von Walter Benjamin, das den Kult der Verschuldung analysiert.

In dieser zu einem Gnadenaltar geformten Installation kommt der existenzielle Aspekt der Gnade zum Tragen, während in der Stadt mit den goldenen Gnadenschriften vor den Orten finanzieller Macht eine ironisch-kritische Qualität des Gnadenbegriffs aufscheint.

 
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